
Phoebe Philo ist wohl eine der bedeutendsten Modeschöpferinnen der Gegenwart. Bis heute jagen die Bewunderer ihrer Arbeit ihren Designs hinterher, die sie in ihrer Zeit bei Modehäusern wie Chloé oder Celine entwarf – oder jetzt auch unter eigenem Namen.
Philo wurde 1973 in Paris geboren und zog mit zwei Jahren mit ihrer Familie nach London. Dort absolvierte sie später ein Studium am renommierten Central Saint Martins College of Art and Design. Kurz nach ihrem Abschluss zog sie schlussendlich zurück nach Paris und arbeitete dort vorerst für das französische Modehaus Chloé. 2001 wurde sie Chefdesignerin der Marke – und löste dort ihre Studienkollegin und Freundin Stella McCartney ab. Die beiden hatten den Ruf, die wilden Kinder Londons mitten in Paris zu sein.
Durch ihre Arbeit bei Chloé schlug sie neue Wege ein, kehrte der romantischen Richtung des Labels den Rücken zu und setzte auf dezentere Töne. Unter der kreativen Leitung von Philo wurde Chloé innerhalb kurzer Zeit zu einem der am stärksten wachsenden Labels der damaligen Zeit. Sie blieb in ihren Kollektionen den Essenzen der Marke treu und fokussierte ihre Designs auf eine entschiedene sanfte, feminine Mühelosigkeit. Es spiegelte sich in ihnen eine gewisse Leichtigkeit wider, die Anklang fand. Unter ihrer Führung entstanden außerdem Must-haves wie die ikonische Paddington Bag der Marke. Im Jahr 2006 verlässt Philo Chloé, da sie ihr erstes Kind erwartet und sich vorerst ihrer Familie widmen möchte, und zieht wieder nach London zurück. Seit dem Jahr 2004 ist sie bereits mit Max Wigram verheiratet, mit dem sie mittlerweile drei gemeinsame Kinder hat.
Danach folgte eine kurze Pause von knapp zwei Jahren, die mit ihrer Ernennung zur Chefdesignerin bei Celine, einem Tochterunternehmen des französischen Konzerns LVMH, im Jahr 2008 endete. LVMH richtete auf Philos Wunsch ein Atelier in London ein, trotz dessen, dass die Marke eigentlich in Paris ansässig war. Zu der Zeit erfuhr die Mode eine Art Wandel. Die Wirtschaft war finanziell angeschlagen, die Menschen beschäftigten sich immer mehr mit dem Thema Minimalismus. Eine Art kollektives Umdenken ließ Menschen ihren Konsum reflektieren und lenkte die Mode in eine bewusstere, ernstere und erwachsenere Richtung. Man machte sich darüber Gedanken, intelligent und zeitlos zu investieren, lieber weniger und langfristig zu kaufen. Philo traf mit ihren komplementären Designs den Nerv der Zeit und bewies, dass sie als Designerin reaktionär arbeitet und der Zeit voraus ist.
Im Jahr 2009 zeigte sie ihre erste Kollektion für das Modehaus. Man könnte sagen, Philos Designs vereinten eine Art von exzentrischem Minimalismus mit zurückhaltender, aufgeräumter Eleganz – teilweise sogar kombiniert mit humoristischen Elementen. Bis heute erinnern sich Anhänger Philos beispielsweise an ihre ikonischen Celine-Pumps aus der Frühjahr/Sommer-2013-Kollektion, die an nackte Füße mit knallig rot lackierten Zehnägeln erinnerten. Viele nannten die Pumps einfach nur den „Pedicure Shoe“. Philo ließ das Modehaus neu aufleben und setzte zu dem Zeitpunkt noch unkonventionelle Trends. Eine gewisse Inspiration bezog sie immer aus der klassischen Männergarderobe, die sie nicht konkret auf Frauenkörper „ummünzte“, sondern von der sie die architektonische Wirkung am Körper erforschte. So zogen sich durch ihre Kollektionen Oversize-Hemden, Hosen mit breitem Bein statt Röhrenjeans und Jacken mit breiten Schultern. Im Jahr 2010 erhielt sie bei den British Fashion Awards die Auszeichnung „Designer of the year“.
Nach fast zehn Jahren verließ Philo im Jahr 2017 Celine und übergab an ihren Nachfolger Hedi Slimane. Phoebe Philos Ausstieg bei Celine wurde begleitet von Gerüchten über eine Rückkehr mit ihrem ersten eigenen Label. Und genau das geschah am 30. Oktober 2023, als ihre Anhänger, die sich selbst als „Philophiles“ bezeichnen, im Newsletter der gleichnamigen Marke die Zeilen „,phoebephilo.com‘ ist jetzt live“ lasen.
Ihr erstes Angebot, in dem Fall ihr erster Edit, umfasste 150 Kleidungsstücke, darunter auch Schuhe, Taschen und Accessoires – und war nach kurzer Zeit fast vollständig ausverkauft. Es folgten zwei weitere Edits im März und September 2024; diese drei Edits bildeten zusammen die erste Kollektion, A. Mit ihrer eigenen Marke erschuf sie eine Art Observatorium, um die Beziehung zwischen Bekleidung, der Frau und ihrer Umwelt zu erforschen. Die Garderobe, die sie entwerfen wollte, sollte mühelos und modern sein und Frauen in ihrem Alltag begleiten können. Als Frau hat man einen eigensinnigen Blick und ein anderes Verständnis für den weiblichen Körper. Man könnte es als eine Art von „female gaze“ (zu Deutsch „der weibliche Blick“) der Mode bezeichnen, denn die meisten Chefdesigner der großen Luxus-Modehäuser sind zum aktuellen Zeitpunkt Männer. Phoebe Philo möchte als Frau für Frauen wie sich selbst designen. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, wieso Philo bis jetzt noch keine Männerkollektion entwarf.
Im Designprozess spielt Philo mit verschiedenen Texturen und ergründet das Verhalten und die Kombination von Materialien. Dabei setzt sie auf klare Schnitte und die Reinterpretation von Klassikern mit durchdachtem Twist sowie deren nahezu eigensinnig wirkende Progression. Es sind oft unaufdringliche Details wie ein Reißverschluss auf der Rückseite einer klassischen Anzughose, architektonische Schnitte, unkonventionell gesetzte Nähte oder eine Asymmetrie, die sich dem Körper unterzuordnen scheint, die ihre Designs schlussendlich so mühelos wie auch besonders machen. Ansonsten finden sich viele Elemente in Philos eigenen Designs, für die sie schon während ihrer Arbeit für Chloé oder Celine gefeiert wurde. Weite Hosen, Blusen, übergroße Jacken – und viele Zweiteiler. Ein Kleidungsstück und beliebter Look vieler Frauen, da er seine Trägerinnen direkt „angezogen“ und aufgeräumt aussehen lässt. Dabei wirkt ihr Styling oft intuitiv und wird komplementiert durch schlichte Gürtel, Sonnenbrillen oder dezenten Schmuck.
Phoebe Philo ist bekannt dafür, eine große Variation an Charakteren in ihren Kampagnen zu zeigen, wie unter anderem während ihrer Zeit bei Celine im Jahr 2015 die damals 80-jährige Schriftstellerin und Intellektuelle Joan Didion, fotografiert von Juergen Teller. Zahlreiche Magazine berichteten damals über diese Kampagne der Marke. Im März dieses Jahres lancierte sie mit Phoebe Philo eine Kampagne mit der deutschen Schauspielerin Sandra Hüller („Anatomie eines Falls“). Diese sitzt in einer weißen, dezent gestreiften Bluse, schwarzer Anzughose und Flipflops im Schneidersitz auf dem Boden und blickt in die Kamera, geziert von dem roten Schriftzug „Phoebe Philo“. Auch diese Kampagne erregte weltweit Aufmerksamkeit. Dabei findet man in Philos Repräsentationen immer eine gewisse Ehrlichkeit und Nahbarkeit. Es sind Frauen, in denen Philo dieselbe Raffinesse findet wie in ihren Designs und die vielleicht eine komplexere Form der Eleganz ausstrahlen, wie ihre Marke eben auch.
Zum Launch der Marke setzte Philo primär auf E-Commerce, keine haitischen Stores und auch keine Fashion Shows – das muss aber nicht so bleiben. Phoebe Philo fährt auch hier ihr eigenes Tempo und vor allem ihre eigene Strategie. Und die ist genauso zurückhaltend, eigensinnig – und erfolgreich – wie ihre Markenphilosophie an sich. Interviews mit Phoebe Philo sind eine Seltenheit, und auch sonst wird man über die eigenen Kanäle der Marke nur sehr feinsäuberlich kuratiert mit Infos versorgt. Möchte man etwas erfahren, muss man ihre Designs aufmerksam betrachten. Denn diese sind ihre Instrumente des Diskurses. Und gefragter denn je.
Ende 2024 wird sich Phoebe Philo allerdings zur Freude ihrer Anhänger auch im Wholesale platzieren und mit wenigen exklusiven Partnern zusammenarbeiten – wie jetzt mit APROPOS.
Photos: © Courtesy by Phoebe Philo
Redaktion: Carolin Becker