INTERVIEW: ANTONIA SCHMIDT
DER GEBÜRTIGE KÖLNER ARMAN NAFÉEI GEHÖRT ZU DEN TOP-GRÖSSEN DER SOUNDDESIGNER. OB GIORGIO ARMANI, CHANEL ODER PRADA, CHATEAU MARMONT, GAGOSIAN ODER UBS-ARENA – DIE REFERENZEN LESEN SICH WIE DIE CRÈME DE LA CRÈME DER WAHREN MODE-, KUNST- UND KULTURINSTITUTE. ZU DIESEM NAMHAFTEN VERZEICHNIS UND NETZWERK GESELLT SICH DANN NOCH SEIN AUSSERGEWÖHNLICHES GESPÜR FÜR STIL UND ÄSTHETIK.
Anlässlich des Grand Openings von APROPOS reiste er exklusiv von seiner Wahlheimat Los Angeles nach Berlin, um im Anschluss an das zeremonielle Eröffnungskonzert der Staatsoper Unter den Linden die musikalische Atmosphäre des Abends zu kreieren. Wir haben im Vorfeld mit ihm gesprochen.
Arman, die prägendsten Jahre eines Heranwachsenden sind bekanntlich Kindheit und Jugend, in deinem Fall die 80er und 90er. Lass uns auf diese Zeit zurückblicken. Deine Eltern stammen aus dem Iran. Zuhause wurde Farsi gesprochen. Du selbst bist in Köln geboren. Es war die Zeit, als Michael Jackson, Madonna und die ersten Boybands die Charts dominierten. Inwieweit hat dich diese Zeit geprägt?
Ich bin in einem sehr kulturellen und intellektuellen Haushalt aufgewachsen. Als Kind realisiert man das meist nicht oder man weiß es nicht so sehr zu schätzen, aber natürlich beeinflusst und prägt es die Persönlichkeit enorm. Man kann sagen: Ich hatte das Glück, von Kultur umgeben zu sein. Meine Eltern haben beispielsweise regelmäßig Dinner-Partys für ihren Freundeskreis organisiert, der aus Dichtern, Politikern, Musikern und Künstlern bestand. Hier spiegelte sich auch die persische Kultur wider, die als Inbegriff von Gastfreundschaft gilt. Es liegt uns quasi im Blut. Somit ist es gar nicht verwunderlich, dass ich mit meiner Arbeit in einigen der besten Hotels und Restaurants der Welt gelandet bin. Auch war es superspannend, in den 90er Jahren in Köln aufzuwachsen. Damals war es die Hauptstadt der Kunst, der Musik und der Medien in Deutschland. VIVA, POPKOMM, ART COLOGNE. Viele wissen das vielleicht nicht, aber in den 80er Jahren waren die Städte der Kunstwelt ... New York und Köln!
Wann begann deine Leidenschaft für das Auflegen von Platten? Und was dachtest du, wie dein Leben einmal verlaufen würde, als du noch vor ca. 20 Jahren in Köln gelebt hast?
Das erste Mal, als ich mich an einem Plattenspieler ausprobierte, war das im Keller meines Freundes Max Vallot. Ich war sofort Feuer und Flamme! Ich erinnere mich noch sehr gut an dieses aufregende Gefühl und die unendlichen Möglichkeiten. Ich sparte mein Geld, kaufte meine eigenen Decks und dann hieß es für mich: üben, üben, üben! Leider kam ich zu dieser Zeit jedoch nie dazu, in Köln zu spielen, da ich mit 17 Jahren nach London ging, um die Schule zu beenden und um mein Studium an der Uni zu beginnen. In dieser Zeit habe ich dann meine ersten Gigs bekommen und startete eine sehr erfolgreiche Freitagnacht-Reihe namens „Zeitgeist“ im damaligen Hot Spot „Sketch“. Erst als ich es in London geschafft hatte, legte ich in den Ferien hier und da in Köln auf. Wer hätte gedacht, dass mich meine Leidenschaft für Musik so weit bringen würde?
Nach einem Studium in London lebst du heute in L.A. und überall dort auf der Welt, wo dein exquisites Gespür für Musik benötigt wird. Dein Portfolio an Kunden liest sich wie das Who is who der Mode- und Kulturszene. Was hat den Grundstein für deine Karriere gelegt? Was war der Schlüsselmoment zur Gründung deiner Agentur „StudioNeu“?
Ich glaube, der erste Moment, in dem mir klar wurde, dass Musik – abgesehen vom Auflegen zum privaten Vergnügen und zur Finanzierung meiner Universitätsjahre – eine größere Rolle in meinem Leben spielen würde, war, als ich Assistent von Sir Norman Rosenthal an der Royal Academy of Arts in London wurde. In dieser Zeit habe ich viele Vernissagen besucht und habe unheimlich viel Kunst gesehen und entdeckt. Aber diese Ausstellungen fühlten sich auch immer ein bisschen steif an. Man muss sich vor Augen halten, dass wir uns in den frühen 2000ern befanden, als die Kunstwelt noch recht überschaubar war im Vergleich zur heutigen Jetset- und „Bussi-Bussi“-Gesellschaft. Hier erkannte ich eine Nische und überzeugte Sir Norman und Jay Jopling von der White Cube Gallery, mir eine Chance zu geben, um Musik sowie Unterhaltung in Museen und den Galerien zu integrieren. Durch diese Erfahrungen kam ich schließlich in Kontakt mit André Balazs, der mir anbot, nach New York zu ziehen und Musikdirektor in seinen Hotels zu werden, um mich um den damals angesagtesten Ort der Welt, den Boom Boom Room, zu kümmern. Das war eine unglaubliche Chance, aber auch verbunden mit viel harter Arbeit. Nach ein paar Jahren beschloss ich, mein eigenes Kreativstudio zu gründen, da meine Arbeit weit über das klassische Verständnis von Musik hinausging und ich eine Marktlücke darin sah. Die Identität einer
Marke in den 2010er Jahren in ein richtiges Erlebnis umzuwandeln als Begriffe wie „Erlebnis“, „Ambiente“ und „Sounddesign“ im Kontext zu Brand Building noch nicht gebräuchlich waren, war etwas komplett Neues. So entstand „StudioNeu“, inspiriert von meinen deutschen Wurzeln. Es war ein neues Kapitel mit neuen Ideen, aber mit der Energie der Düsseldorfer „Krautrock“-Band NEU!
Nicht, dass deine Arbeit schon genug wäre, so hast du zusätzlich vor 3 Jahren die Podcast-Reihe „Are We On Air?“ (Anm. d. Red.: abgekürzt AWOA) ins Leben gerufen. Du triffst dich mit spannenden Künstlern wie Patti Smith, Jane Birkin, Isabella Rossellini, Wolfgang Tillmans, Marina Abramovic, Julian Schnabel, Dua Lipa, Luka Sabbat und, und, und … Inwieweit beeinflussen aber wiederum dich diese Künstler in deinem kreativen Tun?
AWOA war ein Geschenk des Himmels. Ich liebe es so sehr, es hat mich nicht nur während der Pandemie bei Verstand gehalten, sondern wurde darüber hinaus Thema meiner Doktorarbeit in Kultur. Ich hatte das Glück, im Laufe der Jahre kulturelle Größen zu treffen, und so beschloss ich, diese Erfahrungen mit der Welt zu teilen. Patti war nicht nur mein erster Interview-Gast, sondern auch diejenige, die mich dazu ermutigte, weiterzumachen und diese „Bibliothek des Wissens“ aufzubauen. Jetzt sind wir drei Jahre dabei und wachsen und teilen das Knowhow, oder wie der verstorbene Virgil Abloh einst sagte „sharing the cheat codes“.
Auch dein Modestil ist unverkennbar. Er erinnert ein wenig an den Hollywood-Glamour der 60er und 80er Jahre. Mal mit lässig getragenem Hemd, mal mit Jackett und Einstecktuch. Wie würdest du unseren Leserinnen und Lesern deinen Stil beschreiben?
Ja, von den 60er, 70er und 80er Jahren bin ich wirklich stark beeinflusst. Aber mehr noch als von der eigentlichen Kleidung bin ich von dieser Zeit inspiriert. Die Musik, die Kunst, der analoge Lebensstil. Meiner Meinung nach war es eine authentischere, einfachere und buntere Art zu leben. Die Schnitte, die Stoffe und die Farben haben aber auch einen gewissen Schwung, der mich einfach anspricht. Ich bevorzuge es, in Kunstläden, kleinen Schneidereien und Vintage-Läden einzukaufen und einfach alles zusammenzustellen. Das Wichtigste ist, die Dinge zu mischen, auch mit modernen Accessoires, man will ja nicht aussehen, als ginge man auf eine Kostümparty. Das wäre alles andere, aber sicher nicht authentisch.
Ob Paris, London, Mailand oder New York – diese Städte zählen gewissermaßen auch als Modemetropolen. Inwieweit hat sich deiner Meinung nach der Berliner Modestil in den letzten Jahren weiterentwickelt?
Wenn man sich die Berliner Party-Bilder der letzten zwanzig Jahre ansieht, sieht man, wie sich die Stadt von einem leuchtenden Spektrum an Neonfarben zu einem Meer aus Schwarz entwickelt hat. Der „Berghain-Look“ hat nicht nur jeglichen Winkel der Berliner Kulturszene beeinflusst, sondern man sieht ihn auch überall auf der Welt, wie bei TikTok und Balenciaga. Die Ironie des Ganzen ist, dass Berlin noch vor ein paar Jahren mehr Freiheit hatte, nicht nur in Bezug auf Räume, sondern auch hinsichtlich des persönlichen Ausdrucks. Die Angst, vom Berghain-Türsteher zurückgewiesen zu werden, hat alle dazu gebracht, Schwarz zu tragen. That’s crazy! Denn eigentlich geht es doch um deine Persönlichkeit und dein Selbstvertrauen. Ich erinnere mich, wie ich einmal vor Jahren in einem dreiteiligen burgunderroten Anzug mit Schlips direkt zur Tür gegangen bin. Alle dachten, ich sei verrückt, aber natürlich war es in Ordnung, und jetzt, Jahre später, sind Sven Marquardt und ich nicht nur Freunde, sondern er war auch Gast in meiner Show.
Berlin ist für dich kein neues Pflaster. So hast du zum Beispiel erst im September 2021 den „Are We On Air?“-Kiosk auf dem Boulevard „Unter den Linden“ gehostet, welcher von deinen zahlreichen Fans und Musikliebhabern besucht wurde. Was verbindet dich mit der Hauptstadt?
Über die Jahre habe ich so viel Zeit in Berlin verbracht, dass die Leute dachten, ich würde dort leben. Was ich nie tat, aber es war immer wie ein Zuhause für mich. Früher hatte ich einen monatlichen Auftritt im „Kingsize“ und es war auch ein wenig eine monatliche Flucht aus London. Darauf habe ich mich immer gefreut! Und als meine Freunde vom Grill Royal bzw. Chateau Royal, denen das „Kingsize“ damals gehörte, mir den „Kiosk Unter den Linden“ anboten, konnte ich nicht anders, als „ja“ zu sagen, denn es ist der exakt perfekte Veranstaltungsort. Kleine Fläche, aber großer Output. Also bat ich, meine Freunde aus dem Show-Business zu kommen, um ihre Soundtracks zu spielen. So passierte es auch, dass einer meiner Freunde, der Künstler Wolfgang Tillmans, vorbeikam, um sein großartiges neues Album Moon in Earthlight zu veröffentlichen.
Zum Grand Opening des APROPOS Stores in Berlin wirst du die musikalische Darbietung der Staatsoper Unter den Linden Berlin aufgreifen und den Sound im Anschluss in eine Cocktail-Atmosphäre verwandeln. Worauf musst du hierbei als Sounddesigner achten?
Die Oper und die klassische Musik gehören für mich seit meiner Kindheit zu dem Soundtrack meines Lebens, und das ist auch heute noch so. Als ich also hörte, dass die Staatsoper Teil der Eröffnung ist, musste ich einfach zusagen. Ich bin mir noch nicht zu hundert Prozent sicher, was ich spielen werde, aber ich möchte auf jeden Fall mit dem Musikdirektor der Staatsoper über ihre Ausrichtung sprechen, mich aber auch vom Store-Ambiente und der Kleidung inspirieren lassen.
Über die Jahre hast du dir ein gigantisches Wissen im Bereich Musik und Sounddesign angeeignet. Künstler wie unter anderem Beyoncé schätzen deine Werke und engagieren dich. Wem bist du für deine Karriere besonders dankbar?
In erster Linie der Liebe und Unterstützung meiner Familie, aber auch meinen Freunden und Mentoren, die mir nicht nur Ratschläge gaben und Türen öffneten, sondern mich ebenso inspirierten: Sir Norman, Jay Jopling, André Balazs und viele weitere!
Zum Abschluss noch eine Frage: Arman in 30 Jahren – welches Bild hast du von dir und deinem Leben?
Ich sitze in meiner kleinen Hütte im Wald, weit weg vom Lärm.
Herzlichen Dank für deine Zeit, lieber Arman. Wir freuen uns ganz besonders auf dich zu unserem Grand Opening!