
INTERVIEW: ANTONIA SCHMIDT
SIE ZÄHLT ZU DEN 100 WICHTIGSTEN LEBENDEN ZEITGENÖSSISCHEN KÜNSTLER:INNEN DER WELT. ALICJA KWADE STELLT DIE GROSSEN FRAGEN, DIE, AUF DIE ES NICHT NUR EINE ANTWORT GIBT. GESCHWEIGE DENN EINE RICHTIGE. IHRE WERKE, DIE INSBESONDERE SKULPTUREN UND MULTIMEDIALE INSTALLATIONEN UMFASSEN, KREISEN SICH UM WAHRNEHMUNG UND KONSTRUIERTE TATSACHEN – BESTECHEN JEDOCH DURCH ELEGANZ UND ZEITLOSIGKEIT. IM INTERVIEW MIT APROPOS ERZÄHLT SIE VON DEN SCHWIERIGKEITEN, IM ÖFFENTLICHEN RAUM ZU ARBEITEN, WAS REALITÄT BEDEUTEN KANN UND WIESO SIE SICH NICHT BESONDERS FÜR SICH SELBST INTERESSIERT.
Ausstellungsansicht: Alicja Kwade - ParaPivot, The Metropolitan Musem of Art, 2019.
Courtesy of the artist; 303 Gallery, New York; KÖNIG GALERIE, Berlin/London;
kamel mennour, Paris/London. © The Metropolitan Museum of Art
Foto: Hyla Skopitz
Alicja, war die Kunst schon immer Teil deines Lebens?
Ja, schon immer. Lange war mir gar nicht bewusst, dass es auch noch etwas anderes gibt.
Du hast an der Universität der Künste studiert. War die Ausbildung an der Kunstakademie wichtig für deine künstlerische
Arbeit?
Ja, ich würde sagen auf jeden Fall. Dort habe ich gelernt sehr strukturiert und argumentativ über mein Werk nachzudenken und darüber zu kommunizieren. Auch wenn ich es absolut nicht für notwendig halte, Kunst zu studieren, kann es doch eine sehr große Hilfe sein.
In deinen Arbeiten untersuchst und hinterfragst du vermeintlich gegebene Tatsachen. Welche findest du besonders absurd?
Absurd finde ich eigentlich alles! Alleine, dass ich schon denke, dass ich „ich“ bin, ist kaum zu glauben! Aber insbesondere Nationalstaaten, Staatsgrenzen, „Rassen“… das ist alles einfach nicht wahr und absurd!
Wie sieht dein Verständnis von Realität aus?
Wie Sokrates es in seinem Zitat auf den Punkt gebracht hat: Das Bewusstsein darüber, nichts zu wissen.
„Es gibt keine Wahrheit, nur Perspektiven.“ Könnte man den Satz auch auf deine Arbeiten übertragen?
Unbedingt! Alles hängt immer nur vom Standpunkt und der Position der Betrachtenden ab.
Sind Sachen aus deinem Alltag wichtig für das, was du machst? Zum Beispiel Musik, die du hörst, Bücher, die du liest oder andere Kunst, die du dir anschaust?
Ja, natürlich. Musik ist mir super wichtig – also was heißt wichtig? Ich höre sie einfach gerne, und sie ermöglicht es mir, in einen anderen Flow reinzukommen, der mir wiederum hilft, meine Arbeit zu machen. Auch wenn ich dazu gar nicht oft komme, gibt es sehr viele Bücher, die ich in meinem Leben gelesen habe, die mich sehr inspiriert haben, und die meine Arbeit weitreichend beeinflusst haben.
Ausstellungsansicht: Alicja Kwade - Big Be-Hide (2019), Helsinki Biennial, 2021.
Courtesy of the artist; KÖNIG GALERIE, Berlin/ London; Helsinki Biennial
Foto: Maija Toivanen
In deiner Ausstellung „In Abwesenheit“ in der Berlinischen Galerie näherst du dich unter anderem dir selbst an - durch chemische Elemente. Wie würdest du deine Beziehung zu dir selbst beschreiben?
Ich nähere mich hier nicht mir selbst an, ich nähere mich jedem an – dem Homo sapiens – indem ich mich als Beispiel nehme. Ich bin einfach ein zufälliger Proband, und somit niemand. Ich interessiere mich nicht besonders für mich selbst.
Die Ausstellung zeigt außerdem ein Werk, das sich mit dem Menschen im digitalen Zeitalter auseinandersetzt: Eine Bronzestele, bei der Smartphones zu einer Doppelhelix geformt wurden. Was war der Hintergrund der Arbeit?
Das, was wir Realität nennen, ist ja immer nur ein Konstrukt aus Informationen, Bildern, Kommunikation – Dinge, die wir die ganze Zeit aussenden und empfangen, durch diese mit uns permanent verbundenen Geräte. So leben wir alle permanent gemeinsam, indem wir ständig über unsere Smartphones Informationen versenden und empfangen. Somit schaffen wir Millionen von neuen Informationen, die uns wiederum als unsere Welt erscheinen und werden somit zu dieser.
Viele deiner Arbeiten finden im öffentlichen Raum statt. Was ist so wichtig daran? Oder: Wieso machst du das gerne?
Ich weiß gar nicht, wieso ich das gerne mache… es ist schwierig und super anstrengend, und ich verdiene fast noch überhaupt kein Geld daran. Es ist eigentlich alles andere als das, was man anstreben würde.
Und dennoch halte ich es für super wichtig, weil es der einzige Weg ist, Kunst in eine direkte Konfrontation mit dem öffentlichen Raum zu bringen und die Menschen damit zu treffen, sie darauf treffen zu lassen, und zu hoffen, dass es Türen öffnet, Räume strukturiert und Identität kreiert.
Wie gehst du dabei vor? Wie unterscheidet sich deine Arbeitsweise zu Arbeiten, die im Kunstraum ausgestellt werden?
Man muss erst einmal mit ganz anderen Materialien arbeiten, weil die Möglichkeiten sehr limitiert und auf wenige beschränkt sind. Außerdem hat man mit viel mehr Problemen zu kämpfen, also kurz gesagt: Es ist wesentlich schwieriger.
Ist Kunst im öffentlichen Raum automatisch demokratischer?
Ja.
Hast du bestimmte Orte im Kopf, an denen du gerne etwas machen würdest?
Jede große Stadt dieser Welt.